OLLI'S-GEDANKEN: Der Sonntagmorgen- Blues

Wie ergeht es eigentlich einem Mountainbiker unter lauter Straßenflitzern?
- von Oliver Kausch -
Es ist acht Uhr morgens und dazu noch Sonntag. Was macht man für gewöhnlich am heiligen Feiertag, der wöchentlich wiederkehrt? Richtig! Unverzüglich aufstehen! Denn um genau null neunhundert ist Abfahrt. Dass es zu solch unchristlichen Zeiten nur Schmalspurfahrer schaffen einen geregelten Treff, auch im Winter, zu inthronisieren , versteht sich natürlich von selbst. Falls ihr nicht wisst von wem ich spreche; hier ein kleiner Tipp : Das sind die Leute, die ihr stets auf den Grünstreifen abdrängt, wenn sie euch unter die Augen kommen.

Ausdrucksstarke Fotos sind bei diesen Ausfahrten leider Mangelware, da einerseits nicht angehalten wird und ich andererseits so zwei Stunden brauche, um richtig wach zu werden. Aber was tut man nicht alles für die Völkerverständigung!

Aber zurück zur morgendlichen Hatz. Eine kurze Katzenwäsche muss schon reichen, denn ausreichend Frühstück muss man sich in den Magen pressen, ansonsten gehe ich mitten im Elsass verloren und finde in einem fremden Land nicht mehr den Ausgang in heimische Gefilde. Also Haselnusscreme aufs Brot und ab in den Mund. So drückt man sich widerstrebend ein paar Kalorien in den Kopf. Dann vor der Abfahrt der bange Blick aus dem Fenster: Ist es windig?? Ja, nein, ist ja auch egal ( ich fahre sowieso nur im Windschatten).

Also los geht’s, zehn Minuten bis zum Treffpunkt und ich schaffe es mal wieder auf sensationelle Art und Weise pünktlich! Ich musste meinen Puls nur einmal kurz zum „Hallo sagen“ über 180 ziehen und schon bin ich just in time. Kein Nasenrümpfen oder verwerfliche Blicke; ob meiner Präsenz; die Fahrt kann ungetrübt beginnen. Da ich den Altersschnitt der Truppe durch meine Anwesenheit halbiere, darf ich mich ,wie bereits erwähnt, im Windschatten der Asphalt- Routiniers laben.

Schön so ein Morgen; die Luft saust einem um die Nasenspitze, die Kurbel dreht sich wie von alleine, die Gedanken fließen....... alles also perfekt! Scheinbar.
Doch plötzlich geht es los. Die Beine der Mitfahrer zucken nervös, der Oberkörper wird gesenkt, die Gespräche verstummen. Was ist passiert?? Oh nein, ein Ortsschild!!! Gefahr in Verzug!!! Der obligate Sprint droht. Ich werde aus meinem morgendlichen „Wohlfühlkoma“ gerissen und muss fünf Dinge gleichzeitig machen: Hochschalten, die Lücke schließen, ausscheren, man will ja nicht Letzter werden, kurz vergewissern, ob kein Auto kommt und die Trinkflasche wegpacken. Das Tempo verdoppelt sich fast – zumindest fühlt es sich so an – und geschafft.

Jeder in der Gruppe findet seine Position und weiter geht’s in einem moderaten Tempo. Es folgen weitere Ortsschilder ohne Sprint. Warum weiß ich bis heute nicht, obwohl ich schon häufig mitfuhr, es ist eben so.

Jetzt kommen ein paar Berge und mir wird richtig warm, nicht nur ums Herz. Sprint hier, Tempo da , Lücke dort, langsam wird’s etwas anstrengend. Doch zum Glück geht es den anderen auch nicht viel besser und das hektische Treiben beruhigt sich. Jetzt werden die alten „Kriegsgeschichten“ ausgepackt. „ Früher sind wir bei dem Wetter noch mit drei Lagen Baumwolle gefahren.....“ oder „ Als Campa noch Markführer war....“

Sehr interessant, hab ich zwar alles schon mal gehört, aber ist nicht schlimm. Ich erzähle dafür als Gegenleistung die neusten Entwicklungen aus der Schlammtreterszene, wie man hinter vorgehaltener Hand zu sagen pflegt, und die Mitfahrer hören mir netterweise mit halben Ohr ein wenig zu. Nach knapp drei Stunden trennen sich dann unsere Wege und Welten wieder und jeder entschwindet wieder in seinem ganz persönlichen Kosmos der Radelns.

Wir lernen also folgendes: Man kann scheinbar unvereinbare Richtungen auch auf einen Sattel bekommen und das in friedlicher Koexistenz. Ist doch klasse.

Und weil ihr so artig meinen Text zu Ende gelesen habt, verrate ich euch noch etwas: Als der Winter dieses Mal besonders streng war, sind sie alle mit mir in den Wald gekommen, auf Crossrädern natürlich. Aber pssst nicht weitersagen.


Euer

Olli



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