BERICHT: Vancouver, British Columbia (CA)

Vancouver und Whistler-Mountain zählen wohl zu den besten Bike-Revieren. Hier, am North-Shore von Vancouver wurden die ersten "Bretter-Trails" gebaut, seither überall auf der Welt einfach nur "North-Shore-Trails" genannt.


Ich sitze gerade bei einem Bier im "Flying-Otter" an der Waterfront von Victoria auf Vancouver-Island und plane den morgigen Bike-Tag, während ich auf mein Wasserflugzeug zurück nach Vancouver warte.
Bei euch zuhause ist es jetzt 19.30 und ihr legt vermutlich gerade die Füße hoch von der heutigen Samstagsrunde ;-) Bei mir wird es eine Sonntagsrunde werden.

Leider steht mir nur ein Tag zu Biken zur Verfügung und es sollte alles passen. Da gehe ich auf Nummer sicher und vertraue auf die Locals.

Ich habe im Internet recherchiert und Kontakt zu den Leuten von endlessbiking.com in North-Vancouver aufgenommen. Das sind die Singletrack-Experten in der Stadt und auf Anfrage gibt es auch geführte Touren am Nortshore.

Für morgen, Sonntag, steht folgendes auf dem Programm.
- Wetter 22° Grad, strahlend blauer Himmel und trockene Trails
- ein Scott Random mit ausreichend Federweg
- Shannon Moldowan, ein Super-Guide der vermutlich mehr kann als ich es mir nur träumen kann
- Trails, Trails, Trails, mehr als 60km

Es ist Sonntag und ich nehme den Seabus von Vancouver Downtown zum NorthShore. Schon beeindruckend wenn man mal eben mit einem Schnellboot für 2 Dollar über den Pazifik brettern kann und nach 10 Minuten Fahrt auf der anderen Seite der Stadt quasi mtten im Wald aussteigen kann.
 
Ich treffe Shannon meinen Bike Guide, der mich kurz mit dem Material vertraut macht. Der Federweg etwas größer, die Reifen etwas dicker, die Bremsscheiben auch. Was soll's die Bäume und die Berge hier sind ja auch größer.
 
Vor der Abfahrt gibt es noch ein paar Regeln zum Umgang mit Bären. Gesehen habe ich leider keinen auf unserem Ritt durch die Wälder.
 
Wir befinden uns in den Coastal-Mountains, einem Regenwald aus Redwoods und Zedern bestehend. Gemütlich kurbeln wir etwa 600 Höhenmeter bergauf bis wir zum Einsteig des "Pipeline" Trails kommen. . Das erste was uns dort erwartet sind zwei riesige Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge. Offensichtlich ist ein Biker verungklückt und muß aus der Wilderness geborgen werden. Shannon erklärt mit, daß Sicherheit für Natursportler hier das oberste Gebot ist. Regelmäßig werden die Rettungswege gemeinsam mit den Einsatzkräften überprüft und ggfs. neue angelegt. Gemeinsam mit den Bikern hat man auch ein spezielles Rettungsgerät mit einem Ballonreifen entwickelt auf dem man Trage samt Unfallofper aus unwegsamem Gelände bergen kann. Kein gutes Gefühl für mich - aber ich beschließe auf 200mm Federweg und 2,7 Reifen zu vertrauen.
 
Der Einstieg in den Trail beginnt wie einer unserer besseren Trails und erinnert mich etwas an den Cloef-Trail. Nach wenigen hundert Metern wird es aber schon unwegsam - und wenn es unwegsam wird hilft sich der Canadier mit dem was er am meisten hat: mit Holz. Ab jetzt sind wir echt auf dem Holzweg, der zu meinem schrecken auch immer schmaler und höher vom Boden abhebt. Noch kann man aber anhalten und einen Fuß auf den Steg stellen. Irgendwann abe ich auch wieder festen Waldboden unter den Füßen. Die erste Passage ist bewältigt und mein Herz pumpt neben der erforderlichen Blutmenge auch ausreichend Adrenalin.
 
Eine Ecke weiter sagt Shannon: Look, over there we have a nice Titter-Tatter! Ich: Hä? What the hell is a Titter-Tatter? Da sehe ich das Teil auch schon. Eine äußerst schmale Wippe, die zur Überbrückung einer Geländeunebenheit gebaut wurde. Man fährt mit schwung drauf - und das Ding kippt dann am Scheitelpunkt mitsamt dem Biker nach unten. Nicht gerade ungefährlich aber mit etwas Schwung ganz gut zu machen. Als sich gerade Stolz über meine Titter-Tatter-Erstbefahrung breit machen will knattert es hinter mit und eine Dame im reiferen Alter brettert über den Holztrail an mir vorbei. Ich traue meinen Augen nicht: ein 29"er Singlespeeder ohne Federung. Es sieht so als als ob ich auf der Hausfrauen-Hardtail-Strecke gelandet bin.
 
Die Strecke wird immer steiler und die Wege immer schmaler. Dort wo kein Brettertrail mehr hinpaßt, da werden einfach Bäume entsprechend präpariert und der Länge nach befahren. Nun ist so ein Baum nicht unbedingt schmaler als ein Bordstein - und auf einem Bordstein kann man selbst als mittelprächtiger Biker schon einige Meter rollen. Wenn allerdings darunter 2m Luft sind sieht die Sache ganz anders aus.Mehrfach muß ich den Weg durchs Geäst wählen weil ich einfach nicht längs auf Bäumen durch den Wald fahren will und kann. Unwillkürlich denke ich an die beiden Rettungsfahrzeuge von eben. Bestimmt hat der arme Kerl der jetzt abtransportiert wird das auch versucht und wahrscheinlich kam er auch aus Europa ;-)
 
Wie dem auch sei - man muß ja nicht jeden Sch... mitmachen. Ein paar extreme stellen umgehe ich also zu Fuß. Der Rest ist einfach nur Fun. Extrem gut angelegte Steilkurven und Rampen aus Holz lassen echtes Northshore Feeling aufkommen.
 
Das Gefühl in dieser wilden großartigen Natur unterwegs zu sein ist einmalig und die Tatsache, daß man sich oft nicht auf dem Boden sondern auf schmalen Stegen darüber bewegt, verstärkt das fremdartige Bike-Gefühl noch.
 
Spaß machen diese Wege auf alle Fälle und es kommt nicht von ungefähr, daß auch im Alpenraum immer mehr Northshore-Trails gebaut werden. Für mich war das ein einzigatiges Erlebnis - aber ich denke das wäre es für einen Canadier auch, wenn wir ihn über unsere Berus und Oberlimbo-Trails schleifen.


euer

Scotty




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