BERICHT: Schock am Donon

Leider muß man zuweilen auch über die unangenehmen Nebenwirkungen des Bikens berichten. Weniger aus Sensationslust - mehr um daraus zu lernen. Auf der Abfahrt vom Donon hatten wir gestern einen schlimmen Unfall.
Die Sparkasse Saarbrücken und die Saarland Versicherungen laden mich jedes Jahr zu einer Donon-Tour ein und unterstützen damit unsere BIKE-AID Spendenaktion.

In diesem Jahr fehlt ein Guide und ich wurde gebeten einzuspringen und den "sportlicheren Teil der Gruppe" auf Waldwegen hinauf und über Singletrails wieder hinunter zu führen.

Gestern sollte, in kleinerem Rahmen (6 Teilnehmer), eine Vor-Tour stattfinden. Die Auffahrt verlief ohne Probleme - zwei der Teilnehmer wollen, unter meiner Führung über den GR5 (eine Singletrail-Abfahrt) abfahren.

Beide kenne ich aus vielen gemeinsamen Touren. Helmut hat mehrfach die Alpen überquert und hatte erst vor 6 Wochen einen Schlüsselbeinbruch erlitten - dies ist seine erste MTB-Tour nach der Verletzung er fährt deswegen noch vorsichtiger als sonst.

Norbert, ist weniger auf Singletrails unterwegs möchte aber jetzt für einen bevorstehenden Alpencross trainieren. Er möchte heute unbedingt den GR5 fahren. An sich, kein Problem, da sind bin ich schon zig-Mal mit vielen Bikern unterwegs gewesen.

Bei der Durchquerung eines kleinen Wäldchen auf schmalem Pfad (gar nicht mal sehr steil...) stürzt Norbert, zu diesem Zeitpunkt mehrere hundert Meter hinter mir, außer Sichtweite. Ich höre Schmerzenschreie, kehre um und finde ihn auf dem Rücken am Boden liegend. Helmut kümmert sich bereits um ihn.

Er ist schockiert, redet zunächst wirres Zeugs und es gelingt erst nach einiger Zeit herauszufinden ob ihm irgendetwas wehtut. Kein Handy-Empfang, der nächste größere Waldweg mehr als 3km entfernt in jede Richtung.

Es dauert fast 15 Minuten bis er sich aufsetzen kann - die Schulter schmerzt, das Schlüsselbein steht in grotesker Stellung noch oben. Ein gelenknaher Trümmerbruch des Schlüsselbeins - vermute ich. Soweit ich sehen kann sonst keine Verletzungen, vielleicht ein paar Rippen geprellt oder gebrochen. Am Kopf hat der total verdreckte Helm wohl Schlimmeres verhindert. Die Brille liegt in drei Teilen daneben. Schöne Sch....

Aber trotz Zittern und Schockzeichen ist der Verletzte immer ansprechbar, kann sich an den Unfall erinnern und ist zur Person, örtlich und zeitlich voll orientiert und war nie bewußtlos und der Kreislauf immer stabil. Keine Atemnot. Keine offene Fraktur.

Norbert will auf gar keinen Fall in ein französisches Krankenhaus.
Da ich ausgebildeter Notfallmediziner bin, beschließe ich die Verantwortung dafür zu übernehmen, nicht sofort die Bergrettung zu alarmieren. Zumal es hier keinen Handy-Empfang gibt.

Wir haben noch genau 90 min bis Sonnenuntergang - und wollen irgendwie mit Norbert zum nächsten größeren Weg zu kommen und von dort Hilfe aus unserer eigenen Truppe zu holen, die zwischenzeitlich bereits im Tal sein sollte.

Fast eine Stunde quälen wir uns durch die teilweise zugewachsenen und von umgestürzten Bäume blockierten Wege. Es bleiben, laut GPS, nur noch 45 Minuten bis Sonnenuntergang. Ich bleibe beim Verletzten Helmut soll ins Tal und den Abtransport organiseren. Zum Glück haben wir einen VW-Bus dabei und ich weiß, daß man mit dem Auto, über breite Waldwege, diese Stelle in 10 Minuten erreichen kann. Es gibt keinerlei Schranken oder Sperrungen. Mit dem BIKE braucht man 25 Minuten bis runter - es wird also knapp bis Sonnenuntergang.

Nach 1h ist immer noch nichts in Sicht - ich habe keinen Handyempfang. Es ist fast dunkel und wird kühl. Norbert zittert, schwitzt und krümmt sich vor Schmerzen. Jetzt wird es mir mulmig.

Ich verfluche meine Entscheidung nicht die Bergrettung informiert zu haben und steige im Gehölz umher um irgendwie Empfang zu bekommen - immer ein Auge auf den bedauernswerten Norbert der auf einem Baumstamm kauert.

An diesem Punkt bin ich ziemlich sicher: Definitiv falsche Entscheidung auf den Verletzten zu hören, der nicht in ein französisches Krankenhaus will.

Warum ruft niemand an, warum kommt niemand zu uns hoch? Steht uns eine Nacht im Wald bevor?

Angesichts dieser Lage wähle ich die 112 - und bekomme tatsächlich für wenige Sekunden eine Verbindung. Ich gebe auf französisch und englisch die GPS Koordinaten durch und den Zustand des Verletzten durch und: Knack. weg war die Leitung. Jetzt endlich, Motorengeräusch und Scheinwerfer. Unser VW-Bus kommt.

Der Rest ist schnell erzählt. Gegen Mitternacht, also über 4 Stunden später, kommen wir in der Notaufnahme der Winterberg Kliniken an. Der behandelnde Chirurg will es kaum glauben, wo wir um diese Zeit herkommen.

Die Diagnose eines komplizierten gelenknahen Schlüsselbeinbruches bestätigt sich. Zusätzlich noch eine Sprengung des Schultereckgelenkes, Rippenprellungen und Blutergüsse - Norbert muß in den nächsten Stunden operiert werden.

Wir wünschen ihm auf diesem Weg gute Besserung und daß er bald wieder auf seinem Bike sitzt!

Wohlwissend, daß einige Biker diese Seiten lesen - ein kleiner Apell ;-)
Leider zeigt sich an diesem Unfall, daß selbst mit Handy, Ortskenntnis und "Notarzt mit dabei" sehr unangenehme Situationen entstehen können.


Happy Trails und allzeit sturzfreie Fahrt wünscht,


euer Eric (Scotty)