Wasigen Hoch!
18.05.2009 - 4385 x angesehen (zuletzt am: 21.12.2024 um 17:55)
Nach fast einer Woche Dauerregen empfindet man es fast als kleines Wetterwunder
wenn man samstagmorgens am Fuß des Donon steht und in einem blauen
Himmel blickt.
Meine Personenzählung scheitert mehrmals. Glück, daß wir eine berufsmäßige Schülerzählerin in unseren Reihen haben. Verena übermittelt - 29 Fahrerinnen und Fahrer zur Dononüberfahrung angetreten. Zählerin inklusive.
Bei einer solch großen Gruppe geht es normalerweise nicht ohne Neigungsgruppen und längere Pausen. Pleiten, Pech und Platten inkusive.
Heute war das anders:
ein Plattfuß und ein Hirni, der unterwegs seine Bremsbeläge auf der Abfahrt nach Schirmeck wechselt anstatt zuhause mal einen Blick auf die Stopper zu werfen ;-)
Geschlossen starten wir über die Donon-Paßstraße und die breiten Routes forestières in Richtung Col de l'engin auf 790m ü.M. Die ersten 600 Höhenmeter sind überwunden. Zwischen Petit-Donon und Donon geht es weiter über teilweise spektakuäre Sandstein-Trails in Richtung Schirmeck. Spektakulär sind auch die
Stunt-Einlagen die so mancher Fahrer zum besten gibt.
Ein nicht näher benannter Artist schafft es gar, eine ziemliche trailige Wegstrecke bergab, unfreiwillig auf dem Rahmen reitend, zurückzulegen. Die für Hormonproduktion und Fortpflanzung wichtigen Organe werden dabei etwas in Mitleidenschaft gezogen, was man dem
schmerzverzerrten Gesichtsausdruck des Akrobaten unschwer entnehmen kann. Natur- und Bikeerlebnis und unsere tief empfundene Anteilnahme lassen aber offensichtlich selbst stärkste Schmerzen schnell vergehen.
Der Trail nach Schirmeck ist wunderbar, aber einfach zu kurz. Das ist allerdings fast bei allen Trails der Fall. Im Tal erwartet uns ein Supermarkt zum Auffüllen der Körneboxen und Flüssigkeitsspeicher. Der Parkplatz gleicht einem
Sammelplatz der Bergpatrouille - Bikes entlang der Fasse, so weit das Auge reicht.
Es wird wärmer und - steiler. Der Wideraufstieg zum Donon mit teilweise 20% iger Steigung auf Asphalt und Schotter zieht die Gruppe etwas auseinander, niemals aber so, daß ein Problem entsteht.
Nach etwa 2h erreichen wir den Gipfel des Donon auf 1.007m ü.M. Außer uns, kein Mensch auf dem Gipfelplateau. Das ist auch gut so, denn dort herrscht jetzt ein ziemlich großer Biker-Auflauf. Die
bunten Trikots und Bikes geben ein nicht ganz alltägliches Fotomotiv auf dem Gipfel ab. Obwohl es sich bei diesem Ort um eine alte Kult- und Opferstätte handelt, mußten wir heute noch kein Donon-Opfer bringen (ok... beinahe zwei Eier, aber das ging ja nochmal gut..)
Es ist kurz nach 17 Uhr und ab 19 Uhr erwartet uns eine Tarte flambée in der Auberge. Zeit an die Abfahrt zu denken und diesen genialen, historischen Aussichtspunkt zu verlassen. Die Gruppe wird geteilt in die Schnellen und die,
die für die Schnellen den Weg freimachen.
Der Verfasser gehörte zu letzteren und durfte die schnellste Abfahrt aller Zeiten vom Donon erleben (... und er hat schon einige erlebt ;-). Ich bekomme jetzt noch
Gänsehaut und Endorphin-Ausschüttungen wenn ich an diesen Ride denke!
Sagen wir es mal so: Der kulturelle und landschaftliche Aspekt kam während dieser Abfahrt sich etwas zu kurz; aber es ist wirklich zu wenig Zeit wenn man sein Bike ständig in irgendeiner Flugphase kontrollieren muß um nicht selbst abzufliegen. Bis zum Tal sind es über 20 km, teilweise mit Gegenanstiegen - und genau 60 Minuten später stehen wir mit
qualmenden Bremsscheiben, schmerzenden Händen und noch breiterem Grinsen am Ziel.
Wir staunen gemeinsam darüber, daß alle Bikes und Knochen noch heil geblieben sind.
Alle Trails frei fahrbar, perfekte Streckenverhältnisse, schön griffig, nicht zu trocken, nicht zu naß, einfach nicht zu toppen! Dazu paßt, daß man extra für uns die
Kneipe schon eine Stunde früher öffnet.
Wenig später bildet sich dort
die längste Tafel der Vogesen und wir sitzen mit 29 Leuten bei einem Bierchen in der roten Abendsonne. Der Abend klingt aus bei Flammkuchen und Pizza und alle sind sich einig: Kaum eine Autostunde entfernt von uns lassen sich
echte Wilderness-Trails in den Vogesen erobern und entdecken. Ein einzigartiges Erlebnis mit einer wirklich homogenen tollen Truppe!
Bleibt eigentlich nur, diesen Artikel mit den Worten zu schließen, die seit 1864 auf der gußeisernen Gipfelplatte des Donon zu lesen sind.
W a s i g e n H o c h!
(was vermutlich in der Sprache der damaligen Trailbenutzer so viel heißt wie Vogesen-(=Wasigen)_Trails sind nicht zu toppen.)
euer Scotty
PS: Bernd klärt auf: wenn man Wikipedia Glauben schenkt dann wurde....
Vosegus - wie viele keltische Gottheiten - nur lokal verehrt; das Zentrum lag um den Donon, auf dessen Gipfel ein Vosegustempel stand. Funktional entsprach die Gottheit etwa dem römischen Mercurius oder dem griechischen Hermes. Als die Römer Gallien besetzten übernahmen sie die Gottheit und gaben dem Verbreitungsgebiet die Namen vosegus mons (Berg Vosegus) bzw. vosegus silva (Wald Vosegus). Aus diesen entstanden das französische Vosges und das mittelhochdeutsche Wasigen(wald); aus Wasigen entwickelte sich später der Begriff Wasgau.
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