Ein Fahrrad im Reisfeld

Eigentlich ist Radfahren in China schon Abenteuer genug. Durchkreuzt der rasante Bauboom aber die Routenplanung mit GoogleEarth, so gerät man mit dem Rad schonmal mitten ins Reisfeld.


Ein längerer Aufenthalt in China verführte mich zum Kauf eines Fahrrades vor Ort, wo man in kleineren Städten allerdings kaum einen Rahmen in ausreichender Größe bekommt. Nachdem ich fündig geworden war, begann gemeinsam mit Kollegen mein erstes Fahrraderlebnis in China.
 
Bei milden Temperaturen tauchten wir ein in den Straßenverkehr Chinas, wo man sich selbst auf Hauptstraßen als Radfahrer stets wohl fühlte. Von der kurzen Einrollfahrt bereits sehr angetan, bereitete ich für den nächsten Sonntag eine Strecke in GoogleEarth vor und lud sie in mein GPS-Gerät.
 
Zu Dritt nahmen wir die anvisierten 32 km in Angriff. Der erste Streckenabschnitt führte über eine schmale, asphaltierte Straße ohne nennenswerten Verkehr durch sehr hügeliges, kleinlandwirtschaftlich geprägtes Gelände. Beim Passieren von Häusern sprangen Gänse und Hühner über die Straße, begleitet immer wieder von staunenden Blicken der Bevölkerung, die hier außerhalb der Städte größtenteils noch keinen Europäer in natura gesehen hat.
Zu den Geräuschen eines gerade passierten Schweinestalls stimmte mein Vélo mit einem erbärmlichen Quietschten mit ein. Doch die Hilfe in Form von WD-40 Ölspray führte ich im Rucksack bereits mit. Gezielte Injektionen an mehreren Stellen am Steuerrohr stellten den Patienten ruhig und ich konnte die Weiterfahrt in vollen Zügen genießen.
 
Planmäßig verliefen die ersten 10 km, doch dann navigierte ich unsere Gruppe, die hier bereits Auflösungstendenzen zeigte, mitten hinein in eine der zahlreichen Großbaustellen. Wo GoogleEarth 2009 noch eine schöne Straße versprach, gestalteten Großbagger heute die Landschaft um. Wir kämpften uns zwischen den Baumaschinen hindurch, um in der weiteren Improvisation plötzlich im Hinterhof einer Lehmhaussiedlung mitten im Reisfeld zu enden. Wenn die geplante Route hier zwar nicht genau eingehalten werden konnte, so brachte dies jedoch eine ganz neue Trailerfahrung mit sich: Die Fahrt auf 50 cm breiten Trampelpfaden zwischen Reisfeldern war ein echter Genuss.
 
Wir fanden wieder auf die geplante Strecke zurück. Über schottrige Straßen passieren wir immer wieder alte, verlassene Häuser - die Bewohner hatte es wohl in die Städte oder Siedlungsanlagen gezogen, die hier mitten in der Prärie wie Pilze aus dem Erdboden schießen.
Das letzte Drittel ließ sich über gute Straßen schnell und erholsam zu Ende rollen: Zeit, um bereits über die nächsten Touren nachzudenken...
 
 
Zuì hao de wènhòu
Julian


Download: Download: GoogleEarth gefahrene Route